Hallo shepede,

du hast Recht, das Thema Trajektoriengenerierung ist sehr weit und wird in verschiedenen Kontexten gebraucht. Der Anwendungsfall für die präsentierte Lösung ist auch nicht primär die Robotik, sondern allgemeiner die Automatisierungstechnik. Im Gegensatz zu einer Trajektorienplanung, die oft statisch berechnet wird, kann die Software an beliebige Bewegungszustände anknüpfen. Stelle dir vor, auf einer vorberechneten Bahn tritt ein unvorhergesehenes Ereignis auf, beispielsweise ein Hindernis / Sensorkontakt. Dann kann die Software das System aus diesem Bewegungszustand in einen beliebigen anderen Bewegungszustand überführen, ohne das Diskontinuitäten (Positions- / Geschwindigkeits- /Beschleunigungssprünge) auftreten. Die Software ist auf Geschwindigkeit und Effizienz optimiert. Auf normaler PC-Hardware können ca. 100000 Trajektorien pro Sekunde berechnet werden.

Der Trajektoriengenerator ist ein reiner Sollgrößengenerator, das heißt er generiert den Sollwert für einen Reglereingang. Wie Du schon richtig bemerkt hast, wird dabei das eigentliche Systemverhalten nicht berücksichtigt, das wird dem Regler überlassen. Das heißt, dass der Trajektoriengenerator sich nicht die Einhaltung des Istwerts garantiert. Ein schöner Vorteil ist allerdings, dass die Software zu jedem Zeitpunkt absolut konsistente Werte für Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung garantiert, was insbesondere für kompliziertere Regler im Zustandsraum und mit Vorsteuerungen hilfreich sein kann.
Was der Trajektoriengenerator genau macht, kann alles in dem Onlinetool ausprobiert und die Daten heruntergeladen werden.

Ein Feature was ich noch nicht erwähnt habe (weil man es leider nicht online ausprobieren kann) ist die Trajektorienoptimierung im Frequenzbereich. Auf der Hauptseite www.trajectorygenerator.com kann man sich das schön ansehen. Da habe ich ein Pendel mit einer Eigenfrequenz von 3,5Hz auf eine (ungeregelte!) Linearachse mit Schrittmotor gesetzt. Der Schrittmotor wird rein Open-loop von dem Trajektoriengenerator angesteuert. Im Frequenzmodus der Software kann man sich nicht nur die eigentliche Bewegungstrajektorie im Zeitbereich, sondern auch noch im Frequenzbereich ansehen. Es stellt sich heraus, dass das Anregungsspektrum keinesfalls gleichverteilt über die Frequenzen ist, sondern Anregungsbäuche und -Löcher hat. Mit ein wenig Übung kann man die Parameter der Trajektorie nun so anpassen, dass ein Anregungsloch mit der Eigenfrequenz zusammenfällt. So kann man flexible Strukturen extrem schnell bewegen, ohne dass man Schwingungen anregt - und das alles völlig ohne Regelung!