Bl4cke4gle,

schön, dass Ihr Euch tiefgehender mit der Sache beschäftigen wollt . Helfen werde ich Euch gern, aber die Arbeit - und damit auch der Lerneffekt - muss auf Eurer Seite sein, sonst habt Ihr nix davon. OK?

Deshalb ist zu Deiner ersten Frage mein Vorschlag, dass Ihr eine Zeichnung postet, wie Ihr Euch das mit den Vektoren vorstellt. Ich helfe Euch dann, bis die Sache stimmt.

Ihr solltet zwei Skizzen machen: Die erste soll alle Vektoren zeigen, die fest mit dem Fahrzeug verbunden sind. Sie muss das fahrzeugfeste Koordinatensystem zeigen und die Vektoren zu den Messorten der Maussensoren. Die wichtigste Frage, die Ihr Euch dabei stellen müsst, ist die nach der Lage des Ursprungs („Nullpunkt“) des fahrzeugfesten Koordinatensystems. Normalerweise lässt man die x-Achse des fahrzeugfesten Koordiantensystems in die Richtung zeigen, in die das Fahrzeug „geradeaus“ fahren würde.

In dieser Skizze solltet Ihr auch die Koordinatensysteme der beiden Maussensoren einzeichnen und darauf achten, dass ihre Achsen nicht parallel zu denen des fahrzeugfesten Koordinatensystem ist. Das gibt dann eine realistische Vorstellung von der Situation, wie sie einmal auf Eurem Fahrzeug herrschen wird - nämlich ganz schön verwirrend .

Die zweite Skizze sollte das Fahrzeug und das ortsfeste Koordinatensystem zeigen: Eintragen solltet Ihr den Ortsvektor r zum Fahrzeug; das ist der Vektor vom Ursprung des ortsfesten zum Ursprung des fahrzeugfesten Koordinatensystems. Ausserdem soll die Skizze auch den Vektor der Ortsänderung des Fahrzeugs, delta r' und den Drehwinkel deltaPhi' enthalten. Ihr solltet auch die Messvektoren delta m_1 und delta m_2 eintragen, die Ihr erwartet, wenn das Fahrzeug eine weite Kurve fährt. Die Längen und Richtungen dieser Vektoren sollen nicht genau stimmen, sie sollen nur ungefähr die Situation wiedergeben - es sind ja bloss Skizzen, die veranschaulich machen sollen, keine Masszeichnungen !

Deine Frage, warum man das Gleichungssystem mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate löst, habe ich in dem pdf schon beantwortet. Fragt Euch doch einfach, wieviele lineare Gleichungen man braucht, um eine Anzahl von k Unbkannten eindeutig ausrechnen zu können? Wenn man zu wenige hat, kann man keine eindeutige Lösung ausrechnen, weil in den Gleichungen einfach nicht genug Information steckt. Wenn man aber mehr Gleichungen hat, als man unbedingt braucht, dann kann man die „überschüssige“ Information verwenden, um evt. Messungenauigkeiten auszugleichen. - Die Situation ist dieselbe, wenn man die Länge eines Werkstücks misst: Eigentlich müsste eine Messung ja genügen; wenn man aber mehr als eine macht, kann man den Mittelwert bilden und dadurch Messfehler ausgleichen. Die Maussensoren haben auch nur eine begrenzte Messgenauigkeit.

Die Frage nach dem Winkel delta Phi' ist berechtigt, wenn Ihr Euch mit Vektorrechnung nicht gut auskennt. Erstmal: Die „deltas“ vor den Vektoren sollen ausdrücken, dass es sich um Änderungen handelt. Und zwar um die Änderungen, die seit der letzten Messung eingetreten sind. Die Gleichungen sind nur dann gute Näherungen der Wirklichkeit, wenn sich das Fahrzeug in der Zeit zwischen den Messungen nur wenig bewegt hat - so in der Grössenordnung von ein paar Millimetern. Das erreicht man schon, wenn man Messintervalle von ein paar Millisekunden wählt (wenn Euer Auto nicht gleich mit mehr als 5 km/h über die Fliesen brausen soll ).

Nein, delta Phi' ist kein Cosinus oder Sinus von irgendetwas. Die Zahl gibt direkt den (kleinen) Drehwinkel an, den das Fahrzeug, und damit auch das fahrzeugfeste Koordinatensystem, seit der letzten Messung gemacht hat. Er wird im Bogenmass gemessen. - Kleine Drehungen eines Vektors stellt man immer dar, indem man ihm einen Vektor dazuaddiert, der senkrecht auf dem (ungedrehten) Vektor selbst und senkrecht auf der Drehachse steht. Könnt Ihr Euch leicht veranschaulichen, indem Ihr einen Vektor und sein leicht gedrehtes Ebenbild auf ein Blatt Papier zeichnet. Ein senkrecht auf dem Papier aufgestellter Bleistift stellt dann die Drehachse dar. Einen Vektor, der auf zwei anderen senkrecht steht, berechnet man als Vektorprodukt der beiden Vektoren. - Das Fahrzeug dreht sich um seine Hochachse, d.h. um die z-Achse, wenn der Untergrund in der x-y-Ebene liegt. Weil sich das ganze Fahrzeug dreht, bewegt sich auch der Messfleck des Maussensensor am Ende des b-Vektors. Also braucht man zur Darstellung der Drehung einen Vektor der auf der z-Achse und dem b-Vektor senkrecht steht. Deshalb steht das Vektorprodukt da. Claro?

Ich weiss, das liest sich jetzt alles sehr abschreckend kompliziert; Ihr solltest Euch davon aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. "Aller Anfang ist schwer" sagte der Dieb und stahl einen Amboss .

Ciao,

mare_crisium